Im Gespräch mit Vadim Otto Ursus

Gesundheit, Natur
Im Gespräch mit Vadim Otto Ursus

Wenn Vadim Otto Ursus von seinem bisherigen Werdegang erzählt, ist es kaum zu glauben, dass dieser Mann erst 28 Jahre (2020) alt ist. Aufgewachsen zwischen Berlin-Mitte und Prenzlauer Berg verschlug es ihn nach seiner Ausbildung schon bald in die Ferne, um von den Besten zu lernen.

Dieses Interview wurde 2020 geführt.


Nach einem Praktikum im 2-Sterne-Restaurant KOKS auf den Färöer Inseln wurde er kurzerhand zum Chef de Partie. Nach einem kurzen Zwischenstopp im Osloer 3-Sterne-Restaurant Maaemo kehrte Vadim als Sous Chef ins KOKS zurück. Weil ihm die Färöer Inseln auf Dauer zu einsam waren, ging es zurück in die Heimat und anschließend nach Mexiko. Dort lernte er durch einen glücklichen Zufall die Leute vom Noma kennen – einem 2-Sterne-Restaurant in Kopenhagen und laut Vadim das „mit Abstand beste und interessanteste Restaurant der Welt“ – und konnte so einige Monate in ihrem Pop-up-Restaurant im mexikanischen Tulum arbeiten. Zurück in Berlin eröffnete er vor einem Jahr seinen ersten eigenen Laden: das otto im Prenzlauer Berg. Unsere Autorin hat mit ihm über seine Arbeit und nachhaltiges Kochen gesprochen.

Vadim, wie würdest du deinen Stil beschreiben?

Vadim Otto Ursus

Ich möchte so kochen, wie ich selbst gerne esse. Unsere Gerichte sind immer kräftig würzig, ich arbeite viel mit Röstaromen. Viele meiner Techniken sind relativ experimentell – am Ende soll aber ein erreichbares Ergebnis dabei rumkommen, das nicht nur auf Leute abzielt, die sich viel mit Essen beschäftigen, sondern geschmacklich eine große Gruppe abholt.

Im otto sind also nicht nur Gourmets willkommen, sondern jeder?

VOU

Das otto soll ein kommunikativer Ort sein, an dem sich sowohl die Gäste als auch die Leute, die dort arbeiten, sehr wohlfühlen. Wir wollen ungezwungen und erschwinglich sein. Wir haben keine langen Tasting-Menüs, sondern eine kleine Karte, von der man frei wählen kann.

Ihr setzt auf regionale Produkte. Wieso ist dir das so wichtig?

VOU

Als ich nach meiner Zeit im Ausland zurück nach Berlin kam, habe ich durch einen sehr glücklichen Zufall ein kleines Grundstück in der Schorfheide mit einem Bungalow darauf bekommen. Von dort bin ich viel in die Natur gegangen, habe Sachen eingelegt, fermentiert und das Wissen, das ich in den letzten Jahren erlangt habe, auf Produkte in meiner Umgebung angewandt. Während dieser Zeit hat sich der Bungalow langsam in eine Produktionsküche verwandelt.

Ich finde es einfach logisch, die Sachen aus der direkten Umgebung zu nutzen. Wenn ich in Berlin bin, gibt es Produkte aus Berlin und Brandenburg. Wenn ich aber woanders bin, gibt es die Sachen von dort. Wenn ich auf Reisen bin, möchte ich re-gional essen. Durch die Tatsache, dass alles immer verfügbar ist, findet eine Übersättigung in der Gesellschaft statt. Ich möchte meinen Gästen vermitteln, was unsere Region ausmacht. Außerdem ist es meiner Meinung nach nur so möglich, einen wirklich engen und guten Kontakt zu den Leuten zu haben, die unsere Produkte produzieren. Wir arbeiten hauptsächlich mit Bio- und Demeter-Bauern zusammen, die in der Nähe des Bungalows ansässig sind. 

Wie funktioniert nachhaltiges Kochen?

VOU

Zum einen, indem man Lebensmittel nicht durch die ganze Welt schifft. Nachhaltiges Kochen heißt aber auch, möglichst wenig Lebensmittel wegzuschmeißen. Wir haben zum Beispiel eine Tonne, die zurück an die Bauern geht, um mit den Resten die Tiere zu füttern. Außerdem versuchen wir bei jedem Arbeitsprozess darüber nachzudenken, wie sich die Reste verwerten lassen könnten. Aus unseren Brotresten machen wir zum Beispiel Misopaste, aus Gräten und Fischresten einen Fond. 

Wir stehen in direktem Kontakt mit den Produzenten und nehmen ihnen auch Überschüsse ab. Es geht nicht darum, sich immer nur die Perlen herauszupicken, sondern mit dem zu arbeiten, was gerade da ist. Dazu gehört es auch, die Lebensmittel haltbar zu machen, wenn sie nicht direkt verarbeitet werden können. Wir legen viel ein und fermentieren. 

Für mich fängt nachhaltiges Kochen schon bei der Produktauswahl an. Wir verwenden hauptsächlich Wild, weil es so oder so geschossen werden muss. Ein Wildschwein hat sein Leben lang gut gegessen und niemanden viel Fläche, Arbeit oder Geld gekostet. Das ist für mich die nachhaltigste Weise, Fleisch zu essen. 

Wie häufig wechselt ihr eure Karte?

VOU

Wir haben auf unserer Karte ein Grundgerüst an Gerichten, die meist relativ gleich bleiben. Je nach Saison ändern sich nur die Beilagen oder gewisse Komponenten. Die restliche Karte wechselt alle paar Wochen – so wie es eben Sinn ergibt. Wenn ein Produkt nicht mehr verfügbar ist, muss ein neues Gericht her.

Bist du in der Küche kreativer, weil du nur mit regionalen Produkten kochst?

VOU

Definitiv. Ich glaube, das ist auch der Grund dafür, wieso ich mich wirklich darauf beschränke, nur Produkte aus der Region zu nutzen. Es regt dazu an, Alternativen zu finden, die aber genauso viel Spaß machen. Wenn wir Käse machen, haben wir zum Beispiel viel Molke über, die wir einkochen. Am Ende haben wir dann eine wahnsinnig spannende saure Flüssigkeit, die wir statt Zitronen verwenden können.

In welcher Saison macht das Kochen am meisten Spaß?

VOU

Im Frühling, wenn die Kräuter langsam sprießen. Dann gehen wir auch selber ein- bis zweimal die Woche raus und sammeln Wildkräuter und hunderte von Blüten. Da kann man richtig schön in die Vollen gehen.

Jetzt kommt leider erstmal der Winter. Was ist aktuell dein Lieblingsgemüse?

VOU

Am meisten Spaß macht mir im Winter tatsächlich das, was ich im Sommer eingelegt habe. Fermentierte Tomaten und solche Geschichten. Ansonsten mag ich auch sehr gerne Grünkohl, Rote Beete und Schlehe.

Kontakt/ Adresse

otto
Oderberger Straße 56
10435 Berlin
www.otto-berlin.net

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