Die SchlafmaskeInterview mit der Produktdesignerin Luisa Kahlfeldt
Fotos von Peter Wolff
Luisa Kahlfeldt studierte Produktdesign am Central Saint Martins College in London, machte einen Master an der renommierten Design Universität ECAL in Lausanne und arbeitete bereits für Designer wie Tom Dixon, Barber & Osgerby und Konstantin Grcic. Für Otto Keller hat die 31-jährige Berlinerin jetzt eine Schlafmaske entworfen, die nicht nur ästhetisch und funktional, sondern auch “anders” sein sollte. Unsere Autorin hat mit ihr über ihre Arbeit, gutes Design und die Zusammenarbeit mit Otto Keller gesprochen.
Wie bist du zum Produktdesign
gekommen?
Luisa Kahlfeldt
Meine Eltern sind beide Architekten. Ich bin quasi in die Kreativszene hineingeboren worden und musste nie lange nach dem suchen, was ich machen möchte. Ich habe mich immer für die Dinge interessiert, die uns jeden Tag begegnen. Vom Moment, in dem wir aufwachen – die Zahnbürste – bis abends, wenn wir uns ins Bett legen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mich mal nicht gefragt habe: Wieso sieht das jetzt so aus und nicht anders? Das war bei mir einfach immer etwas total Natürliches.
Du hast in London am Central Saint Martins College einen Bachelor in Industriedesign gemacht. Wie ging es danach weiter?
LK
Über ein Praktikum bin ich zu Tom Dixon gekommen und habe im Anschluss ein paar Freelance-Jobs für ihn übernommen. Nach sechs Monaten bin ich ins Büro von Barber & Osgerby gegangen. Das ist ein relativ bekanntes britisches Designer-Duo, das hauptsächlich Möbel-Design, aber auch viele Leuchten macht. Unter anderem auch die Olympische Flamme bei der Olympiade 2012 in London. Das war ein wunderschöner Job, ich habe super viel gelernt. Die ganze Londoner Szene war natürlich unglaublich spannend. Ich denke an diese Zeit mit ganz viel Liebe zurück und ich bin immer noch sehr inspiriert.
Trotzdem hast du dich nach zweieinhalb Jahren dafür entschieden, zu kündigen und einen Master zu machen. Wieso?
LK
Ich war 25 Jahre alt und ein bisschen… Ich will nicht sagen, gelangweilt, aber ich hatte Lust, etwas anderes auszuprobieren. Ich habe es immer geliebt, Design zu studieren. Das macht unglaublich Spaß. Eigentlich noch mehr als der Job selbst. Im Studium tauchen viele kommerzielle Fragen nicht auf. Das ist eine sehr utopische Welt, in der man sich als Student bewegt, weil man total groß denken kann. Als ich meinen Master an der ECAL begonnen habe, hatte ich schon drei Jahre lang gearbeitet. Ich war schon in der Szene, kannte mich aus und fühlte mich wohl. Ich war bereit, Risiken einzugehen und mich aus meiner Komfortzone zu bewegen.
Entstand zu dieser Zeit dein Interesse an Textilien?
LK
Auf jeden Fall. Als Produktdesigner arbeitet man oft mit Holz, Metall und Plastik. Man kann sich nie so richtig mit dem Rohmaterial beschäftigen. Bei Textil kann man einen Schritt weitergehen und sich die Zutaten seines Produkts anschauen, das finde ich sehr schön. Ich kann bei der Faser anfangen, daraus ein Garn anfertigen und dann den Stoff. Ich kann viel mehr kontrollieren. So kam es, dass ich als Masterprojekt eine wiederverwendbare, waschbare Stoffwindel für Babys entwickelt habe. Mein Ziel war es, die schönste Stoffwindel der Welt zu designen.
Wie kam es dazu, dass du im Anschluss zurück nach Berlin gegangen bist?
LK
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre im Ausland gelebt und total Lust, zurück nach Hause zu gehen. Mein Bruder und seine Freundin sind damals gerade schwanger geworden, meine Eltern leben in Berlin. Ich hatte das Glück, dass Konstantin Grcic, ein bekannter deutscher Industriedesigner, gerade mit seinem Büro von München nach Berlin gezogen ist. Das hat vom Timing perfekt gepasst. Also habe ich mich beworben und 2019 bei ihm angefangen. Es war eine unglaublich schöne Erfahrung, in einem so kleinen Team für jemanden zu arbeiten, der sowohl unglaublich tolle Kunden hat als auch ein inspirierender Denker und Visionär ist.
Du hast kürzlich den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Wie war das für dich?
LK
Ich habe parallel bereits weiter an meiner Stoffwindel gearbeitet und auch viele selbständige Projekte umgesetzt. Deswegen ist mir dieser Schritt gar nicht so schwer gefallen. Ich bin nicht ins kalte Wasser gesprungen – die Projekte haben mich aufgefangen. Mittlerweile arbeite ich an verschiedenen Projekten, habe mit SUMO meine eigene Firma gegründet, die meine Stoffwindeln und hoffentlich bald weitere Babyprodukte im Textilbereich vertreibt.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in deiner Arbeit?
LK
Mir ist es total wichtig, mir meiner Verantwortung als Designerin bewusst zu sein. Und das bedeutet auch, mich zu fragen: Wie sieht die Lieferkette aus? Wer sind die verschiedenen Stake-holder? Wo wird das Material hergestellt? Wer näht es? Es kann nicht mehr nur darum gehen, dass sich ein Produkt für den Kunden gut verkauft. Dabei geht es mir nicht um Nachhaltigkeit im Sinne von “Das muss jetzt alles grün aussehen.”. Ein Produkt muss nicht zwingend nachhaltig aussehen oder nachhaltig wirken. Gutes Design ist für mich ein Design, in dem alles bedacht wird – der ganze Lifecycle eines Produkts. Dennoch: Wenn eine Firma zu mir kommt, kann ich kein Material nehmen, das 50.000 Mal teurer ist als das andere. Ich finde, nachhaltig zu arbeiten und nachhaltige Entscheidungen zu treffen ist aus der Designer-Perspektive allein unmöglich. Man braucht einen guten Kunden, der Lust hat und dazu bereit ist, Risiken einzugehen.
Wir leben in einer Welt, die gefühlt schon alles hat. Wie designt man heute überhaupt noch “gut”?
LK
Wir leben zwar in einer Welt, in der es viele Stühle gibt, aber auch viele unglaublich schlecht designte und unbequeme Stühle. Ich habe sehr viele Kolleginnen und Kollegen, die sich gerade im Designstudium gefragt haben: Wieso machen wir das hier eigentlich? Ich glaube, als Designer muss man schon naiv genug bleiben – und das soll gar nicht arrogant klingen – um zu denken: Ich kann das besser machen. Dieses Gefühl hatte ich auch, als Otto Keller mich gebeten hat, eine Schlafmaske zu designen. Meine erste Reaktion war: “Oh Gott, eine Schlafmaske. Die gibt es wie Sand am Meer.” In einer Welt zu leben, die im stetigen Wandel ist, die sich immer weiterentwickelt und in der nichts stagniert, bedeutet auch, dass es in der designten und gemachten Umwelt immer Potenzial für Verbesserungen gibt. Andere Nutzergruppen, andere Herstellungsweisen, andere Technologien. Es gibt immer Room for Improvement.
Wie lief die Zusammenarbeit mit Otto Keller ab?
LK
Ich war gerade für eine kleine Auszeit in El Salvador, als ich eine WhatsApp-Nachricht von meinem alten Freund Laszlo bekam. Er hat eine Agentur mit Sitz in Berlin und Porto, welche die Schnittstelle zwischen Brands und nachhaltigen Herstellern bildet. Er schrieb mir, dass er gerade mit einem tollen Kunden zusammenarbeite, der sein Produktsortiment erweitern und gerne eine Schlafmaske herstellen würde. Dafür sei er auf der Suche nach einer Designerin. Wenn man einen externen Designer mit ins Boot holt, bringt das immer andere Perspektiven mit sich. Das ist eine Chance, kein 08/15 Goodie-Bag-Produkt herzustellen, sondern etwas wirklich Durchdachtes. Ich antwortete, dass das total spannend klinge und kurze Zeit später hatte ich den ersten Intro-Call mit Otto Keller.
Was war dir bei der Zusammenarbeit besonders wichtig?
LK
Ich versuche mich mittlerweile als Designerin klar abzugrenzen und meine Aufgaben zu definieren. Ich habe mich häufig auch um die Produktion gekümmert, dabei kann man sich schnell verzetteln. Als Designerin kann ich den Entwurfsprozess kontrollieren, das ist meine Zeit. Ich habe alles in der Hand. Aber kaum kommt eine externe Produktion dazu, sind wir dem alle ein bisschen ausgeliefert. Leider gibt es Kunden, die den Designer dafür verantwortlich machen, wenn in den Zeitabläufen der Produktion etwas schief läuft. In diesem Fall gibt es jemanden, der die Produktion in Portugal betreut. Viele Stellschrauben waren schon gestellt und ich muss mich nur um den Entwurf kümmern. Ich liebe Projekte, die so sind.
Wie viel Zeit ist von der Idee bis zum fertigen Produkt verstrichen?
Ich habe mir zuerst zwei Wochen Zeit genommen, um den Markt zu analysieren und zu gucken, was es bereits gibt. Zweieinhalb Wochen später habe ich meine Konzepte präsentiert und wir waren sehr schnell auf einem Nenner. Das
grobe Konzept steht fest. Der nächste Schritt ist es, gemeinsam mit der Produktion zu klären: Wie können wir das richtig gut umsetzen? Welche Materialität ist für die verschiedenen Teile am besten? Im September lassen wir das erste Produktions-Muster in Portugal anfertigen.
Was war dir beim Design der Schlafmaske besonders wichtig?
LK
Ich habe herausgefunden, dass der Markt übersättigt ist an Produkten, bei denen nur der Look zählt. It seems to be a Fashion Darling. Es gibt so viele Schlafmasken, die aus dünnem Material sind und auf denen vorne ein witziger Spruch steht. Mein absoluter Favorit war die Schlafmaske von Hermès aus Ziegenleder und Seidentwill. Die sehen hammermäßig schön aus, aber die Funktionalität kam definitiv zu kurz. Mir war es wichtig, die Balance zu finden: Die Schlafmaske sollte gut aussehen, nicht zu teuer in der Produktion sein,
aber trotzdem effektiv in der Performance. Außerdem wollte ich etwas machen, das anders aussieht. Das Tollste wäre, wenn man jemanden im Flugzeug mit der Schlafmaske sieht und denkt: “Ach, das ist doch die von Otto Keller.” Das versucht natürlich jeder Gestalter und jeder Produzent, aber ich hoffe sehr, dass wir diese Balance zwischen etwas Ikonischem, aber nicht Albernem finden.
Welche Materialien bieten sich für eine Schlafmaske an?
LK
Im Schlaf-Kontext wird häufig Maulbeerseide verwendet. Dieses Material ist unglaublich weich, hautfreundlich und soll einen Anti-Aging-Effekt haben. Da wir faire, gute Materialien benutzen möchten und in Europa produzieren, war Seide leider sofort aus dem Rennen. Der Endkunden-Preis wäre einfach zu hoch. Ich habe dann direkt gesagt: “Wir gehen auf Lyocell.” Das ist eine Viskosefaser, sie wird aus Holz hergestellt. Viskose hat einen etwas schlechten Ruf, da die Produktion früher sehr unschön war. Inzwischen hat sich dahingehend total viel getan. Lyocell wird heute auch als Kunstseide bezeichnet, ist nachhaltig, vegan und weist gleichzeitig die klassischen Charakteristika von Seide auf. Deshalb war für mich ganz klar: Wenn Otto Keller Lust hat, nutzen wir eine Kombination aus Bio-Baumwolle und Lyocell. Wenn man Material für eine Schlafmaske auswählt, ist es wichtig, dass kein Licht durchkommt. Und da sind Naturfasern und Baumwolle super.
Wie siehst du das Thema Schlaf im Design-Kontext?
LK
Schlaf ist total wichtig. Das Schlafzimmer ist sehr, sehr privat. Dort sehen einen nicht viele Leute. Ich glaube, unsere visuellen Organe können wir da weitestgehend ausschalten. Es geht eher um die Frage: Wie fühlt sich etwas an? Ich finde, das ist ein interessanter Bereich, weil er eben ganz andere Sinne anspricht. Wir Menschen sind tagsüber visuell getrimmt, aber in diesem Produktbereich kann man seine anderen Organe viel mehr benutzen – viel mehr fühlen und hören. Wir haben uns zum Beispiel total schnell gegen Klettverschlüsse entschieden. Einerseits, weil sich lange Haare darin verfangen, andererseits wegen des Geräuschs. Intuitiv ist ein Klettverschluss fehl an einem Platz, an dem man sich entspannen möchte und es gerne weich hat.
Lebensqualität