Interview mit
Enrico Slabotny vom Restaurant POTTKIND

Text Yannah Alfering / Fotos Pottkind, Jennifer Rumbach
Interview geführt 2021

Enrico Sablotny wurde 1987 in Witten geboren und wuchs in Dortmund auf – ein echtes Pottkind also. Dort machte er auch seine Ausbildung, tingelte anschließend eine Weile durch Deutschland, arbeitete kurze Zeit auf Mallorca und landete 2012 letztendlich in Köln. Während der Arbeit in einem Kölner Restaurant lernte er Lukas kennen, und obwohl der schon viel früher kündigte, blieben die beiden in Kontakt und schmiedeten Pläne für ihr erstes gemeinsames Restaurant. Im August feierte das „Pottkind“, das mittlerweile sogar einen Stern hat, seinen dritten Geburtstag. Unsere Autorin hat mit Enrico über seine Arbeit und nahbare Sterneküche gesprochen.

Welche Rolle spielte der Ruhrpott für euer Restaurant?

Enrico Slabotny

Wir machen keine Ruhrpott-Küche, bei uns gibt es keine Currywurst. Trotzdem versuchen wir – wie die Menschen im Pott – relativ unverschnörkelt und geradeheraus zu arbeiten. Unsere Gerichte und unser Konzept sind recht einfach zu verstehen: ohne viel Schnickschnack.

Wie würdest du deinen Stil beschreiben?

ES

Ich lege viel Wert auf Harmonie. Bei uns gibt es keine Gerichte, die extrem säurebetont oder extrem scharf sind. Unsere Gerichte sollen schön aussehen, aber dennoch dezent wirken. Es gibt Restaurants in Deutschland, die bis zu 30 Komponenten auf einem Teller haben – hier noch ein Röllchen, da noch ein Eis. Das machen wir nicht. Ich habe im Fine Dining gelernt, deshalb fällt es mir natürlich schwer, alle Gerichte zu minimieren. Trotzdem haben wir uns eine feste Regel gesetzt: Bei uns gibt es nie mehr als fünf zubereitete Komponenten auf einem Teller.

Wieso ist dir das so wichtig?

ES

Es ist spannender, weil man nicht so gut schummeln kann. Wenn ein Teller extrem aufwändig aussieht, blendet das natürlich. Das kann dafür sorgen, dass alles sehr beeindruckend wirkt. Für mich ist die Herausforderung eher, einen Teller zu machen, der nur zwei Komponenten hat, aber richtig gut schmeckt. Wir wollen nicht mehr diesen kleinteiligen Kram auf die Teller bringen, sondern versuchen, die einzelnen Komponenten perfekt zu machen. Wir machen lieber eine Sache richtig gut statt fünf mittelgut.

Das Kernelement im „Pottkind“ bil­det die Chef’s Theke. Was hat es damit auf sich?

ES

Die Theke zieht die Grenze zwischen der offenen Küche und dem Gastraum. Uns war es wichtig, dass die Gäste mit uns kommunizieren und uns zuschauen können – denn wer kann die Gerichte besser erklären als die Menschen, die sie kochen? Außerdem wollte ich auch etwas von der Stimmung im Laden mitkriegen und nicht abgeschottet arbeiten. Mittlerweile gehören die neun Plätze an der Theke zu den beliebtesten im ganzen Laden.

Schnacken und kochen gleichzei­tig kann bestimmt auch mal stres­sig werden, oder?

ES

Oh ja. Als wir aufgemacht haben, waren wir in der Küche nur zu zweit. Ich hatte noch nie auf Gas gekocht und es gab keinen Spüler.Die ersten Wochen waren richtig hart. Mit der Zeit haben wir uns aber nach und nach besser eingespielt. Mittlerweile ist unser Ziel, so gut vorbereitet zu sein, dass wir uns eher langweilen, wenn die Gäste da sind. Es gibt natürlich Leute, die einen genau in dem Moment an- sprechen, in dem man keine Zeit hat, aber das passiert tatsächlich eher selten – und die Kommunikation ist ja auch genau das, was wir wollen.

Bei euch gibt es statt langer Karte ein festes 5­-Gang­-Menü. Wieso?

ES

Am Anfang hatten wir eine Karte mit neun Gerichten. Das ist uns aber komplett um die Ohren geflogen. Um uns in der Küche etwas zu entlasten, haben wir damals kurzfristig noch ein 4-Gang-Überraschungsmenü dazugenommen. Das kam so gut an, dass wir uns irgendwann entschieden haben, nur noch ein festes Menü anzubieten – allerdings mit fünf Gängen. Unsere Gäste haben quasi keine Wahl. Da wir mit sehr wenigen Komponenten arbeiten, haben wir nicht viele Ausweichoptionen. Des- halb ist es super wichtig, dass vegetarische Menüs oder Allergien rechtzeitig angekündigt werden. Dann machen wir fast alles möglich.

Genießen es eure Gäste, mal keine Entscheidung treffen zu müssen?

ES

Absolut. Wir haben ganz oft Gäste, die bei uns etwas probieren, das sie woanders nie bestellt hätten. Hier im Rheinland ist es zum Beispiel oft die Blutwurst. Und dann freuen sie sich, wenn es ihnen doch geschmeckt hat. Viele sagen, dass sich ein Abend im „Pottkind“ für sie anfühlt wie ein Essen bei Freunden. Gar nicht unbedingt wegen uns, sondern weil es eben das gibt, was auf den Teller kommt. Sie setzen sich einfach hin und den Rest übernehmen wir.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in deiner Arbeit?

ES

Wir versuchen natürlich, nachhaltig zu arbeiten, aber die Qualität ist uns immer wichtiger. Viele assoziieren Nachhaltigkeit mit Regionalität und das finde ich falsch. Für mich gibt es Produkte, die zwar aus dem Ausland kommen, aber wahrscheinlich nachhaltiger sind als das, was es hier bei uns in der Region gibt. Wenn ich ein Huhn aus Massentierhaltung in Bornheim kaufe und in einem riesigen Schlachtbetrieb im Münsterland schlachten lasse, ist das zwar sehr regional, aber nicht sonderlich nachhaltig. Wenn ich hingegen ein extrem gut gezüchtetes Huhn aus Frankreich bekomme, habe ich ein besseres Gefühl dabei.
Wir sind momentan auf vier Wochen ausgebucht. Dadurch können wir extrem gut kalkulieren und das ganze Menü durchplanen. Wir versuchen, so wenig Müll wie möglich zu produzieren, und schließen feste Verträge mit unseren Lieferanten. Wenn Produkte übrig bleiben, versuchen wir, sie entweder im nächsten Menü mit einzuarbeiten oder sie für den Winter zu konservieren. Im besten Fall haben wir aber so gut geplant, dass unser Kühlschrank am Ende der Woche komplett leer ist.

Ihr habt letztes Jahr einen Stern bekommen. Herzlichen Glückwunsch! Wie war das?

ES

Danke! Das war super beeindruckend. Wir haben wirklich gar nicht damit gerechnet – ich weiß, das sagen alle, aber es stimmt. Natürlich haben wir davon geträumt, irgendwann mal einen Stern zu bekommen, aber wir hätten unser Restaurant lieber so gemacht, wie es jetzt ist, ohne dafür einen Stern zu bekommen, als uns zu verbiegen. Deshalb ist es jetzt natürlich richtig cool, dass wir ihn für etwas bekommen haben, das wir schon immer unbedingt machen wollten.

Wie lief das Verfahren ab?

ES

Die Tester kommen inkognito. Wir vermuten, dass sie mindestens zwei- bis dreimal bei uns waren, weil sie Fotos von zwei unterschiedlichen Menüs gepostet haben. Normalerweise gibt es eine große Gala, aber durch Corona ging das leider nicht. Stattdessen bekamen wir eine Videoeinladung unter dem Vorwand, Interviews mit Köchen aus ganz Deutschland führen zu wollen. Dort haben sie es uns dann gesagt. Als wir es endlich erzählen durften, haben wir erstmal mit unseren Mitarbeitern den kompletten Champagner-Bestand leer getrunken.

Hast du das Gefühl, dass sich euer Klientel seitdem verändert hat?

ES

Ich glaube, es ist gleich geblieben. Ich will jetzt nicht schleimen, aber wir haben richtig coole Gäste. Natürlich sind einige neue Gäste dazu gekommen, aber unser Klientel ist entspannt geblieben. Es ist bisher nicht passiert, dass jemand eine tausend Euro teure Flasche Wein haben wollte oder darauf bestanden hat, dass wir von rechts eindecken.

Wie versucht ihr, trotz Stern nahbar zu bleiben?

ES

Wir sind für ein Sterne-Restaurant relativ günstig und das würde ich auch gerne beibehalten. Trotzdem müssen die Preise mit einer fairen Bezahlung der Mitarbeiter und der Qualität der Produkte vereinbar sein.
Wir möchten ein Restaurant haben, das auch dienstags und mittwochs gut besucht ist. Wir wollen kein 15-Gang-Menü anbieten, für das die Gäste sechs Stunden bei uns sitzen. Das finde ich auch nicht mehr zeitgemäß. Wir wollen, dass die Leute auch mal unter der Woche kommen und einfach zwei Stunden lang einen schönen Abend mit gutem Essen haben. Und das erreicht man wahrscheinlich am besten durch eine Atmosphäre, die nicht so steif ist, ein Menü, das nicht zu ausufernd ist und Preise, die noch bezahlbar sind. Wobei der Begriff „bezahlbar“ natürlich in dem Rahmen betrachtet werden muss, dass wir Luxus machen.

Kontakt

Pottkind
Darmstädter Str. 9
50678 Köln

www.restaurant-pottkind.de

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