Studio Kuhlmann
Zwischen Kunst und Design

Text Yannah Alfering / Fotografie Marina Hoppmann, Saskia Kinast, Neven Allgeier
2022

Ein Indoor-Brunnen aus Wasserrohren, eine Leuchte, die mehr einer Skulptur ähnelt und eine Reihe von Spiegeln, die es ermöglichen, die eigenen Genitalien genauer zu betrachten. Bei Studio Kuhlmann verfließen die Grenzen zwischen klassischem Produktdesign und Kunst. In ihrer Werkstatt in Köln-Nippes fertigt Hannah Kuhlmann besondere Einzelstücke an, die allesamt ein Element gemeinsam haben: Metall. 2010 studierte die heute 33-Jährige Produktdesign an der Kunstakademie in Maastricht. Dort nutzte sie die Möglichkeit, einen Einblick in die verschiedenen Werkstätten der Akademie zu bekommen. Kuhlmann entdeckte ihr Interesse an Metall, machte nach dem Studium einen eintägigen Schweißkurs, kaufte sich ein Schweißgerät und setzte ihre erste Kollektion um, die sie auf der Design Week in Eindhoven präsentierte. “Ich habe mir gesagt: Nach meinem Studium mache ich das, worauf ich Lust habe. Und wenn das funktioniert, bis ich 30 bin, dann mache ich weiter. Wenn nicht, suche ich mir einen festen Job”, erzählt Kuhlmann. Sie zog zurück nach Köln, hielt sich anfangs mit Nebenjobs über Wasser und fing parallel dazu an, immer mehr Ausstellungen zu kuratieren – unter anderem im Rahmen der Kölner Passagen und der Möbelmesse imm cologne. Gemeinsam mit einer Gastkuratorin lud sie regelmäßig zwischen zehn und 15 Künstlerinnen aus benachbarten Ländern ein, die ebenfalls an der Schnittstelle zwischen Kunst und Design agieren. “So konnte ich neue Kontakte knüpfen, mir ein Netzwerk schaffen und durch den Austausch mit anderen wertvolle Tipps bekommen, wie ich mich als selbständige Designerin am besten aufstelle”, sagt Kuhlmann. Mit dem Ansatz, den sie während ihres Studiums in den Niederlanden verfolgte – zu designen, eigenständig zu produzieren und dann entweder selbst oder mit einer Galerie als Zwischenhändler zu verkaufen – habe sie in Köln nur schwer Jobs gefunden. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, sah Kuhlmann darin eine neue Chance: “Ich fand es interessant, diese Position nach Köln zu bringen und der Stadt zu zeigen, was es sonst noch gibt”. Die Nebenjobs sind mittlerweile Geschichte. In ihrer Werkstatt in Köln-Nippes arbeitet Kuhlmann hauptberuflich an neuen Konzepten, setzt Ideen um, entwirft zeitgenössisches Design und Sammlerstücke – sogenannte Collectibles.

Einen klassischen Arbeitsalltag gibt es dabei nicht. “Ich unterscheide nicht nach Wochentagen, da mein Studio direkt neben meiner Wohnung liegt”, erklärt sie. Obwohl sie versuche, eine Montag-bis-Freitag-Woche einzuführen, genieße sie die Freiheiten, bei Sonnen- schein raus zu gehen und bei Regen zu arbeiten. Ein Arbeitstag beginnt bei Kuhlmann meistens damit, dass sie zwischen sieben und acht Uhr aufsteht, im Bett ihre E-Mails liest und sie bei einer Tasse Kaffee beantwortet. Um ihren Körper wach zu kriegen, versuche sie morgens entweder eine Runde laufen zu gehen oder Yoga zu machen, erzählt sie. Danach geht es in die Werkstatt. “Manchmal arbeite ich bis 18 Uhr, manchmal bis 23 Uhr – je nachdem, wie lange ein Objekt braucht”, sagt sie. Produziert wird bei Studio Kuhlmann nur auf Nachfrage. “Zum einen habe ich natürlich ein paar Galerien, zu denen beispielsweise Interior-Designerinnen kommen, die sagen: ‘Wir haben hier eine neue Wohnung in Paris und brauchen dafür noch ein Objekt.’”, erklärt sie. Oftmals würden sie vorher auf ihrer Website nachschauen und hätten konkrete Ideen davon, wie ein Stück abgewandelt werden solle. “Dann wird ein Objekt aus Edelstahl beispielsweise in Messing gefertigt oder ein Tisch mit einer Höhe von 45cm statt 60cm gebaut”. Es kämen aber auch Leute, die einfach Lust auf etwas Besonderes in ihrer Wohnung hätten. “Etwas, das nicht von Ikea ist und mehr Witz in den Wohnraum bringt, weil es eben nicht industriell gefer- tigt wurde, sondern lebendig ist”. Lebendig. Ein Wort, das im Gespräch mit Kuhlmann häufiger fällt. Der Fokus liegt bei Studio Kuhlmann nicht darauf, einen Stuhl zu entwerfen, der für eine breite Masse funktioniert. Vielmehr geht es darum, wie Individuen in ihrem eigenen Wohnraum leben, welche Bedürfnisse sie haben und was sie glücklich macht.

“Ich sehe meine Objekte nicht als rein funktionale Dinge, sondern als einen Gegenstand, mit dem ich meinen Alltag teile”, erklärt sie ihre Position. “Ich frage mich super oft, wieso sich Leute tote Objekte ins Heim holen, zu denen sie keine Beziehung haben.” Da Kuhlmann selbst und nicht industriell schweißt, gleicht kein Stück eins zu eins dem anderen. Wenn sich das Bein einer Leuchte während des Schweißprozesses verzieht, lässt sie es so. Obwohl Kuhlmanns Position sehr klar erscheint, wird in dem Gespräch deutlich, dass sie sich selbst genauso wenig limitieren lassen möchte, wie ihre Objekte. “Ich glaube nicht, dass ich irgendwann einmal an den Punkt komme, an dem ich sage: Das mache ich jetzt für die nächsten 20 Jahre”, sagt sie. Man müsse sich zwischendurch immer wieder die Zeit nehmen, zu reflektieren und zu fragen: Wo bin ich jetzt gerade? Ist das der Punkt, an dem ich sein möchte oder will ich eigentlich noch woanders hin? Aktuell arbeitet die Designerin an einem Projekt, das die weibliche Seite des Metalls untersucht. Die Metallindustrie sei sehr männlich geprägt, was auch damit zu tun habe, dass der männliche Körper stärker als der weibliche sei. Aktuell versuche sie herauszufinden, wie sich dieser Fakt auf ihre Arbeit auswirkt und ob er etwas Negatives oder vielleicht sogar etwas Positives mit sich bringt. “Wie könnte man mit Metall arbeiten, wenn die Kraft nicht im Vordergrund steht?”, fragt sie. Ihr nächstes Ziel sei eine Ausstellung, für die sie mit Künstlerinnen kollaboriert, die allesamt mit verschiedenen Metall-Techniken arbeiten. “Am Ende soll ein Garten aus all den unterschiedlichen Projekten entstehen”, sagt sie. Und der wird mit Sicherheit so besonders wie Kuhlmanns Designs.

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